Marillenknödel und Hollersaft… darum ist es auf der Donau so schön

Jugendherbergen sind immer für Überraschungen gut! In Passau residiert man in sehr alten, historischen Gemäuern, man wird sozusagen zu Burgfrauen und Burgherren, angepasst dem Luxus des 21. Jahrhunderts, hoch oben über der Stadt mit eindrucksvollem Blick auf den sich dahin schlängelnden Fluss, der uns die nächsten 12 Tage unserem Ziel Wien entgegentragen wird. Doch hoppla, welcher der im Sonnenschein glitzernden Gewässer ist denn nun die Eine, die ich meine, drei Flüsse umfließen die Stadt, Inn, Ilz und Donau…

Los geht’s am Kanuclub Passau, die Ilz begrüßt uns im schmalen Bett mit leichter Strömung und niedrigem Wasserstand, sie windet sich um die eine und andere Ecke, wir sind gespannt, wann kommt sie nur, da, eine Brücke, dahinter wird es breiter, die „Stadtspitze“ von Passau kommt in den Blick, ja, und dann, dann fließen sie zusammen, Inn, Ilz und Donau und werden die Eine, die ich meine…

Die Donau präsentiert sich mit ständig wechselnden Gesichtern, mal breit und träge, besonders dann, wenn ein Stauwehr naht, dann wieder quirlig flott fließend, schmal und kurvig, an ihren Ufern immer gesäumt von fröhlich winkenden Radfahrerinnen und Radfahrern.

Die erste Herausforderung unserer Tour heißt Schleuse Jochenstein, denn man muss wissen, die Schleusenkammern sind der Großschifffahrt vorbehalten. Die Wasserkarte verkündet eine Umsatzstelle mit Bootswagen auch für schwer beladene Boote geeignet, na denn, dann sollten wir unser Gepäck im Boot lassen können. Doch zunächst stellt sich die Frage: „Wo, verdammt, ist denn bloß die Umsatzstelle?“, das Wehr kommt näher und näher, die Warnschilder drohen mit Lebensgefahr und wir sollen immer noch weiter? Nur Mut, kurz vor der Staumauer schwimmt ein Band von gelben Bojen und weist uns den Weg zur Aussatzrampe, nun heißt es anlegen, den Bootswagen suchen und eine Technik entwickeln, die unseren Schneider Wibbel einschließlich Skulls wie Gepäck im Wasser auf den Bootswagen aufschwimmen lässt. Es gelingt, bei der ersten Schleuse mit viel Geduld und Spucke und unfreiwilliger Badeeinlage inklusive, mit jeder weiteren routinierter und zum Ende der Tour erfolgt das Umsetzen wie im Schlaf. Nebenbei bemerkt sorgt das Umsetzen immer wieder für geplante Erfrischungen von den hohen Temperaturen, die uns täglich beschert sind.

Die erste Etappe bringt uns in die Schlögener Schlinge, im Gasthof Reisinger, der mit eigenem Bootsanleger wirbt, ist das Nachtquartier gebucht. Eine Gasthausterrasse mit Blick auf die Donau lässt die Frage, wo an diesem Abend gegessen wird, schnell beantworten – davon ab, es gibt im weiteren Umkreis des Gasthofes sowieso keine Alternative – und schon bald sitzen wir mit tellergroßen Schnitzeln am Tisch und genießen einen lauen Sommerabend. Doch plötzlich kommt Unruhe auf, der Wirt stürzt aus dem Gasthaus, eine riesige Tröte in der Hand, denn, es nähert sich ein Fahrgastschiff, kaum hat es die Höhe des Gasthauses erreicht wird wie wild in die Tröte gepustet und was passiert? Das Fahrgastschiff hupt zurück, der Gastwirt hüpft entzückt mit wedelnden Armen über die Terrasse und entschwindet wieder im Gasthaus, ganz so, als sei nichts passiert. Dieses Schauspiel wiederholt sich an diesem Abend bei jedem vorbeifahrenden Fahrgastschiff und es sei bemerkt, es kamen einige. 

Linz heißt das Ziel, dass am nächsten Tag zu erreichen ist, nach reichhaltigem Frühstück wird das Boot beladen und auf geht’s, doch nur zwei Flussbiegungen weit, da grollt der erste Donner zwischen den Hügeln. So heißt es Anlegen und Abwarten, nach einer Stunde ist der Spuk vorbei und wir können weiter, das Gewitter hat die Wälder auf den Hügeln zum Dampfen gebracht und verzaubert die Donaulandschaft für den Augenblick märchenhaft schön. Doch schnell setzt sich die Sonne wieder durch und bringt uns mächtig ins Schwitzen. In Linz können wir unser Boot im dortigen Ruderclub über Nacht ablegen, ein Bootwagen für den nächsten Morgen stellen uns die dortigen Ruderkameraden versteckt hinter der Bootshalle bereit, damit wir den weiten Weg vom Clubgelände bis zum Bootsanleger mühelos überwinden können. Das nenn ich österreichische Freundlichkeit.

Am nächsten Morgen begrüßt uns wieder die Sonne und begleitet uns den ganzen Tag auf unserem Weg nach Wallsee. Eine Mittagspause im kühlenden Schatten einer Gastronomie ist auf dieser Etappe ein absolutes Muss, der himmelblaue Gästesteg von Mauthausen eine dementsprechende Einladung zum Anlegen. Im grellen Mittagslicht strahlen uns die reich verzierten Häuser bunt, fast heiter, am Donauufer entgegen und können trotz allem nicht die dunkle Seite dieses Ortes vergessen machen, die durch das menschenvernichtende Konzentrationslager in den Granitwerken

Mauthausens zu brutal-trauriger Berühmtheit gelangt ist. Heute befindet sich dort eine mahnende Gedenkstätte, Zeit diese aufzusuchen hatten wir leider nicht.

Gegen Abend erreichen wir unserem Tagesziel Wallsee, ein kleiner Ort, gelegen am Donaualtarm, in den wir unser Boot an der Schleuse umsetzen mussten. Nach Sichtung der Wasserkarte ist der Plan Schneider Wibbel in der dortigen Marina über Nacht liegen zu lassen, doch wie man so schön sagt,

„in dem Sack hatten wir Korinthen“, vom Wasser aus kommt man wohl auf einen Steg, doch der Zugang zum Land ist verschossen und kein menschliches Wesen in Sicht. Was nun? Zunächst einmal zurück rudern und schauen, wo ein Aussetzen möglich ist, und siehe da, ein Steg taucht auf, aus der Nähe entpuppt er sich als Steg eines Rudervereins, der auf unserer Wasserkarte nicht verzeichnet ist. Was für ein Glücksfall! Auf dem Vereinsgelände treffen wir auf reges Treiben und eine Bootslagerung wird uns sofort gestattet, auch helfende Hände greifen zu, als Schneider Wibbel über viele Treppenstufen nach oben getragen werden muss. Jetzt fehlt nur noch ein Taxi für uns und unser Gepäck, dass uns den Berg hinauf in unsere Unterkunft bringt und alles ist perfekt. Doch gar nichts ist perfekt, Wallsee ist ein wirklich kleiner Ort und ein Taxiunternehmen, das gibt es dort nicht und da ist sie wieder, die Frage: “Was nun?“ Klaus hat ein dickes Knie, mit Gepäck den Berg hinauf, das wird nichts. Christoph hat Rücken, kann kaum geradestehen, mit Gepäck den Berg rauf, das wird nichts.

Gaby und René ist es viel zu warm und mit Gepäck den Berg hinauf, das mögen sie gar nicht. Auf der Wiese des Clubgeländes bereitet eine Gruppe älterer Herren eine große Tafel vor, an der sie sich später zu einem gemütlichen Beisammensein niederlassen wollen. René erklärt unsere Lage und so komme ich in den Genuss, mit einem Oldtimer Cabriolet den Berg hinauf chauffiert zu werden. Die drei Herren werden mit einem anderen Gefährt hinaufgebracht. Und da ist sie wieder, die österreichische Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft! 

In den nächsten Tagen trägt uns die Donau, vorbei an Geisterorten, in dem Gaststätten nur noch Spinnweben anbieten und kaum ein Haus bewohnt scheint, zunächst bis nach Ybbs, hier darf unser Boot über Nacht auf dem Schleusengelände liegen, trägt uns dann weiter durch den Nibelungengau, mit genialer Mittagsrast in einem Imbiss, der uns von einem ortsansässigen Ruderer wärmstens ans Herz gelegt wird, bis hin nach Melk, wo unsere Unterkunft einen fantastischen Blick auf die eindrucksvolle Klosteranlage bietet, schiebt uns auf der nächsten Etappe mit viel Schwung und

Strömung durch die Wachau mit Ziel Krems. Dort geht es am Bootsanleger des Steiner Ruderclubs an Land, denn unser Boot wird auf dem Vereinsgelände auch am morgigen Ruhetag liegen dürfen. Die Steiner Ruderkameraden sind gerade dabei Boote zu verladen, morgen soll es für sie zur Regatta nach Wien gehen, beim Verladen eines Vierers bitten sie uns um Hilfe, gehen uns dann ebenso beim Schneider Wibbel zur Hand, und da ist sie wieder, die österreichische Freundlichkeit und diesmal können wir mit deutscher Hilfsbereitschaft antworten. 

Krems, 70 Kilometer westlich von Wien gelegen, zählt mit seiner historischen Altstadt und der ebenso eindrucksvollen Altstadt des Stadtteils Stein zum UNESCO-Weltkulturerbe Kulturlandschaft Wachau. Trotz ihrer nur knapp 25 000 Einwohnern ist sie Universitätsstadt und viel beachtetes Kulturzentrum in der Region Niederösterreich. Genug Möglichkeiten also, um einen Ruhetag an Land abwechslungsreich auszufüllen. Schon unser Quartier im Herzen der Steiner Altstadt, das aus dem

16. Jahrhundert stammende Gästehaus Einzinger, empfängt uns mit dem unverkennbaren Hauch von Historie, der alten Gemäuern innewohnt. So wundert es nicht, dass das Gebäude immer wieder als beliebte Filmkulisse in sogenannten „Wachaufilmen“ genutzt wird, von uns dann doch eher als willkommener Ruheort mit wunderbarem Frühstück. Von hier aus erkunden wir die Stadt, werfen den Blick in die ein oder andere Kirche, lassen uns durch die schattenspendenden Gassen treiben, wischen uns mache Freudenträne im Karikaturenmuseum aus dem Augenwinkel und lassen uns dann im Heurigen, der einen wunderbaren Blick auf die Stadt und den Fluss bietet, nieder. Auch hier begegnen wir Historie, in Erscheinung der Heurigen- Wirtin, die sicherlich einige Jahre mehr auf dem Buckel trägt als unser Fahrtenältester und dennoch eifrig ihre zahlreichen Gäste bewirtet, mit Hollersaft, mit Weinen unterschiedlicher Art, mit Brotzeiten und vielen anderen Leckereien. Was kann‘s da noch besseres geben?  

Ausgeruht geht es von Krems auf die letzten beiden Donauetappen, den Hinweis eines Steiner Ruderkameraden, dass der Wind gedreht hat und es nun Richtung Wien unruhiger werden wird, erfahren wir vor allem auf unserer letzten Etappe von Tulln nach Wien. Die Sonne brennt, doch die Donau zeigt uns ein ganz neues Gesicht, permanent steht die Welle gegen uns und zwingt uns nah unter Land. Glücklicherweise muss auf dieser Etappe der Fluss nicht gequert werden, doch Steinbuhnen bis fast in die Flussmitte reichend, fordern Steuerkunst und Ruderer Geschick, denn mit Gepäck an Bord sind Abdeckungen keine Option. Froh, dass uns die Donau ihr raues Gesicht erst am letzten Tag zeigt, erreichen wir mit dem Steg des RV Donauhort Wien unser Ziel. Hier treffen wir auf Richard, der uns hilft, unser Boot für den Rücktransport fertig zu machen. Bei einem kühlen Getränk, auf das er uns ins Vereinsheim einlädt, wird eine Renngemeinschaft für den diesjährigen Rheinmarathon ins Leben gerufen. Und, ja, da war sie wieder, die österreichische Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. 

Fazit: Vom Wasser aus ist Österreich ein ganz eigenes Erlebnis. Die Donau zeigt in ihrem Lauf viele unterschiedliche Gesichter, die man unbedingt kennen lernen sollte. Hollersaft, Marillenknödel und Kaiserschmarrn sind ein kulinarisches Muss, das unbedingt probiert gehört. Die österreichische Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft trifft man allerorts. Wanderrudern ist einfach der tollste Sport!

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