Die ewige Suche nach dem richtigen Moment

Ein Gespräch mit Detlev Seyb

Die Attraktivität unserer Website und der Clubzeitung ist wesentlich durch die hohe Qualität und Aktualität der Bilder von Detlev Seyb geprägt. In den ersten zwei Sekunden entscheidet der Besucher, ob er auf der Seite bleibt oder nicht. Gute Bilder überzeugen schneller als der beste Text.

Detlev ist professioneller Sportfotograf. Er hat sich für die Sportfotografie entschieden, die extreme Seite der Fotografie. Während der Fotograf in seinem Studio lange überlegen kann, wie er sein Motiv fotografiert, zählt für den Sportfotografen nur der Moment. Es passiert im Bruchteil einer Sekunde, um das Motiv in einem Foto festzuhalten. Der Bewegungsablauf steht heute nicht mehr im Vordergrund, sondern der Athlet mit seinen durchlebten Emotionen. Viel Kreativität kommt hinzu. Das Durchfotografieren einer Regatta ist nicht das Ding von Detlev. Die Suche nach dem richtigen Moment über einen langen Regattatag hin, die Auswahl, die Bearbeitung der Bilder und der zeitnahe Versand der Bilder an die Redaktionen und Agenturen führen zu langen Tagen mit viel Stress und das über eine lange Saison.

Durch das folgende Interview gewährt uns Detlev einen Einblick in seine Welt.

Wie bist Du zur Sportfotografie gekommen? Was Du vorher gemacht?
Mitte der 1980er Jahre hat es mich gewurmt, dass in meiner Heimatstadt nur in einer von zwei Lokalzeitungen über den Rudersport berichtet wurde und so habe ich spontan bei der anderen Zeitung vorbeigeschaut und meine Mitarbeit angeboten. Schnell war nicht nur Rudern mein Thema, sondern die gesamte Bandbreite des Lokaljournalismus in Wort und Bild. Im Laufe der Zeit wurde daraus der Schwerpunkt Sport, irgendwann war ich Volontär, dann fest angestellt als Redakteur bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (mit Schwerpunkt Text). 2009 wollte ich noch einmal etwas Neues probieren und habe mich dann schließlich 43-jährig als Foto-Journalist selbständig gemacht und biete seitdem meine Fotos über Meinruderbild.de an. Regatten fotografiere ich seit 1986 - über die erste Ruder-WM habe ich 1990 in Tasmanien berichtet.

Wieso gerade Sportfotografie – worin liegt der Reiz und welches sind die Herausforderungen?

Ich habe früher zu Juniorenzeiten selbst gerudert und war danach einige Zeit in meinem Heimatverein RV Waltrop als Übungsleiter aktiv. Somit lag es nahe, das Hobby zum Beruf zu machen. Der Rudersport mit all seinen Facetten vom Spitzensport bis zum Wanderrudern und die Natur bietet unendliche Möglichkeiten. Im Lokaljournalismus habe ich natürlich auch alles andere abgedeckt wie Versammlungen und Festivitäten, im Grunde habe ich mich aber recht früh auf den Sport spezialisiert, weil ich es einfach spannender fand. Und es ist eben auch der Reiz, auf diese besonderen Momente eines Wettkampfs oder Spiels zu warten und sie dann entsprechend in Szene zu setzen.

Hast Du eine Lieblingssportart (nach Rudern natürlich), die Du mal in Szene setzen möchtest?

Dank meiner Tätigkeit als Sportredakteur hatte ich Einblicke in viele Sportarten (Text und Bild) wie Fußball (bis Regionalliga, damals 3. Liga), Handball, Basketball (2. Bundesliga), Radsport, Wasserball, Schwimmen, Reiten, Tischtennis und vieles mehr. Ein Zeitraum von 17 Jahren, der mich sehr geprägt hat. Nebenbei war ich immer freiberuflicher Ruder-Fotograf. Und irgendwann schnupperte ich eine ganze Weile auch in den Wintersport hinein, war 2008 offizieller Veranstalter-Fotograf bei der Bob-WM in Altenberg und habe danach auch mehrere Wintersport-Kalender publiziert - u.a. auch einen mit der kompletten Rennrodel-Nationalmannschaft.

Auf was muss man speziell achten? Suchst du nach spannenden Bildkompositionen oder fallen Sie dir direkt ins Auge?

Beides. Wenn ich morgens über den Regattaplatz gehe, könnte mir durchaus etwas direkt ins Auge fallen. Man muss aber genausogut nach einer spannenden Bildkomposition suchen bzw. kreativ denken, um ein tolles Bild zu arrangieren. Sonst wäre Fotografie auch viel zu langweilig und wir hätten alle die gleichen Bilder. Es ist schön zu sehen, wenn Fotografen ihre Handschrift im Bild hinterlassen.

Momente

Wie funktioniert Ruderfotografie?

Vom Grundprinzip ist es nicht anders als in anderen Sportarten. Du fährst zu einem Event und bietest deine Fotos den diversen Medien an - oder du hast schon spezielle Aufträge bzw. fährst im Auftrag einer Zeitung, eines Verbandes dorthin.

Da ich seit vielen Jahren u.a. auch für die FISA und den DRV arbeite, bin ich bei allen Weltcups, Welt- und Europameisterschaften dabei – hinzu kommen etliche nationale Events in Deutschland, so dass es zwischen Mai und September kaum ein freies Wochenende gibt. Aber das bin ich ja von meiner früheren Tätigkeit in der Sportredaktion gewohnt. Die Fotos drucken Tageszeitungen, der RUDERSPORT, aber der Print-Bereich nimmt immer mehr ab und es hat sich der Schwerpunkt längst auf den Onlinebereich verlagert. Heute wollen die diversen Internet-Angebote von Zeitungen, Verbänden und Vereinen zeitnah bedient werden. Das hat unsere Arbeit extrem beschleunigt. Von daher freue ich mich nach einer spannenden Saison auf einen ruhigeren Winter, in dem man sich mehr Zeit für außergewöhnliche Foto-Aktionen nehmen kann.

Wie gehst du an eine Fotosession ran? Ist es geplant oder viel mehr spontan?

Es ist immer eine Mischung aus Planung und Spontanität. Wenn ich beispielsweise  - wie vor einigen Jahren - Ergometerrudern im Schnee des Dachsteingebirges umsetzen möchte, dann müssen nun mal gewisse Dinge geplant werden, bis das Ergo hoch oben im Schnee steht. Manche Dinge gehen auch nicht ohne Genehmigung. Wenn es dann mit der Kamera losgeht, setzt man sicher viele Dinge um, die man seit Tagen im Kopf hatte. Aber besonders schön wird's, wenn dann die Spontanität dazukommt.

Mit welchen Kameras und Objektiven arbeitest du? Wie sieht Deine Standard-Ausrüstung aus, wenn Du zu einer Regatta losziehst?
Ich habe schon analog mit einer Nikon gearbeitet und bin bei der Umstellung auf digital dem Hersteller treu geblieben, weil ich meine Objektive weiternutzen wollte. Heute habe ich stets zwei Gehäuse dabei, eine Vollformat-Kamera (D5) und eine DX (Halbformat, D500), mit der wegen des kleineren Sensors die Brennweite "verlängert" wird. Im Fotokoffer stets dabei sind das Fisheye 10,5 mm, ein Weitwinkel 16-35 mm, das Telezoom 70-200 mm (lichtstark 2,8), ein Konverter (1,4), Blitz und das 180-400 mm, das mich gerade im Rudern sehr flexibel macht. Mit Konverter und DX  kommt man schon sehr nah ran, wobei man in dieser Kombination auch auf gute Lichtverhältnisse angewiesen ist.  Auch Hilfsmittel kommen mal hier und da zum Einsatz. Einmal habe ich meine Digital-Kamera in ein Aquarium gestellt und dies dann unter die Wasserlinie gedrückt. Einfacher wäre natürlich ein Unterwassergehäuse gewesen, aber das hatte ich gerade nicht. So muss man halt manchmal auch etwas erfinderisch sein.

Wie viel auf deinen Bildern ist bearbeitet und wie bearbeitest Du deine Bilder?
In der Ausbildung bei der Tageszeitung wurde uns immer wieder eingetrichtert, dass man sich nicht zu weit weg vom Original bewegen soll - da es dann eben nicht mehr das Ursprungsbild sei. Das ist für Bilder im Tagesjournalismus sehr wichtig. In der Regel mache ich drei Dinge: Bildausschnitt, gegebenenfalls eine leichte Tonwertkorrektur und um in der Photoshop-Sprache zu bleiben - das Bild unscharf maskieren...also etwas nachschärfen. Dinge, die man früher im Fotolabor bei der Entwicklung der Fotos auch gemacht hat, als wir noch die Filme in die Kamera eingelegt haben anstelle der Speicherkarte.

Emotionen

Wie präsentierst du deine Fotos? Nur online oder machst Du auch Ausstellungen?

Die Fotos präsentiere ich online auf MeinRuderbild.de und über den Werbshop www.pictrs.com/meinruderbild, wo bereits mehrere tausend Bilder hinterlegt sind. Dort können die Bilder digital oder als Abzug bestellt werden. Letztlich werden meine Fotos aber auch durch meine Kunden präsentiert, indem sie in Artikeln und Galerien veröffentlicht werden.

Welche wichtigsten Tipps würdest du einem Anfänger in der Fotografie, speziell der Sportfotografie, geben?

Das Motiv so zu fotografieren, dass man am besten gar nichts oder eben möglichst wenig in Photoshop korrigieren muss. Das gilt für den Bildausschnitt wie die Belichtung und im Rennen natürlich die Belichtungszeit, die mindestens eine Tausendstel betragen sollte, um Bewegungsunschärfe zu vermeiden. Aus verschiedenen Perspektiven fotografieren – mal die Kamera nah am Wasser halten, mal auch etwas höher. Mit dem Weitwinkel nicht schüchtern sein und nah ran ans Motiv – da kommt Dynamik ins Bild. Eigentlich sollte man mutig sein, vieles ausprobieren und bereit sein, Fehler zu machen. Daraus lernt man. Hilfreich ist es, die Ergebnisse auf dem Laptop zu analysieren – die Kameraeinstellungen sind ja im Bild hinterlegt und über Eigenschaften im Explorer abrufbar. Lohnend ist sicher auch ein Foto-Workshop, um die eigene Kamera besser zu verstehen. Die werden für Anfänger wie Fortgeschrittene vielerorts angeboten.

Wann sehen wir eines Deiner Bilder bei den Fotowettbewerben Sven-Simon-Preis oder Red Bull Illume? Paul Hangst von Getty Images hat mit seinem Bild „Licht-Achter“ den Platz 6 beim Sven-Simon-Preis gewonnen. Auf diesem Niveau habe ich auch Bilder von Dir schon gesehen.

Vielen Dank für das Lob. Es gibt ja noch weitaus mehr Fotowettbewerbe. Ich hatte auch mal daran gedacht, dort mitzumachen, aber letztlich ist nie mehr daraus geworden als der Gedanke. Mag auch daran liegen, dass die Einsendefrist genau in der Zeit liegt, in der ich nach der Saison einen Gang herunterfahre. Für mich ist es wichtig, auch Phasen ohne Fotos zu haben - das fördert die Motivation und Kreativität für die nächste Ruder-Saison.

Hast Du Vorbilder aus dem Bereich der Fotografie? Welche Fotografen haben Dich inspiriert?

Ich habe keine speziellen Vorbilder, schaue aber immer interessiert zu anderen Kollegen, was und wie sie es umsetzen.

Wie hältst Du Deine Motivation aufrecht, wenn Du den zehnten Rheinmarathon in Folge fotografierst oder bei einem Ergo-Cup die 31zigste Siegerehrung fotografierst?

Mit Ausdauer und ich denke in dem Moment einfach nicht viel darüber nach. Wenn man eine Veranstaltung zum xten Mal fotografiert, wiederholen sich natürlich viele Dinge, es kommen aber auch immer wieder neue und interessante Szenen dazu.  Die einzufangen schafft man nur, wenn man stets aufmerksam und motiviert ist.

Herzlichen Dank für den Einblick in Deine Welt.

Detlev Seyb

Der heute 54-Jährige griff schon zur Schulzeit zur Kamera und zum Stift, verfasste in den 80er Jahren die ersten Artikel für die Waltroper Zeitung und Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ). Parallel zur freien Mitarbeit bei der WAZ schrieb er auch Reportagen für das offizielle Verbandsorgan RUDERSPORT. Die erste Ruder-WM fotografierte er 1990 in Tasmanien, das erste Mal als Journalist für Olympia akkreditiert war er 1992 in Barcelona und in Tokio werden es nun nach Athen, Peking, London und Rio de Janeiro die sechsten Olympischen Ruder-Wettbewerbe sein, die er im Bild festhält.

Zwischendurch unternahm Detlev Seyb einen musikalischen Ausflug und war als Bandmitglied der Ruderer-Band The Vikings an mehreren WM-Hymnen (u.a. Ruder-WM Köln, Bob-WM 2000 Altenberg und für den damaligen Fußball-Zweitligisten Wacker Burghausen) beteiligt.

2009 folgte nach 17 Jahren WAZ-Festanstellung zum zweiten Mal der Schritt in die Selbständigkeit - seitdem wird das Ruder-Archiv auf Meinruderbild.de Jahr für Jahr immer größer.

Das Gespräch führte Hermann Höck