Eurega 2018

Früh am Samstagmorgen fahren wir zur Eurega nach Neuwied, besser gesagt, wir werden gefahren. Uli und Axel sind so nett, ersparen uns Zugfahren und noch früheres Aufstehen.

Die Benrather haben unser Boot nach Neuwied gezogen. Wir brauchen es nur noch abzuladen. Wir trimmen unser Boot auf, kleben die Ausleger ab. Vieles erinnert Marathon, aber auch ein bisschen wie Sommerwanderfahrt. Es ist schon vormittags heiß und die Sonne scheint gnadenlos. Überall herrscht gute Laune und es riecht nach Sonnencreme.

Das Boot ist fertig und wir haben noch viel Zeit. Es sind insgesamt 70 Boote, 56 davon starten von Neuwied und fahren die kurze Strecke nach Bonn. Die übrigen sind längst auf dem Wasser, sind heute früh an der Loreley gestartet und rudern 100 km bis Bonn.

Um 10.30 Uhr ist Obleutebesprechung. Wir müssen alle schwimmen können, was aber nicht überprüft wird, Berufsschifffahrt hat Vorfahrt, 300 m Abstand vom Bergfahrer, 500 m vom Talfahrer, bis hierhin hätte auch Ralph die Einweisung halten können. Dann wird es interessant. Der Kurs ist vorgeschrieben, die ersten 29 km sind rechtsrheinisch zu fahren, dann übersetzen und den Rest bis Bonn linksrheinisch. Das Fahren in der Fahrrinne ist nicht erlaubt, überholende Boote müssen vorbeigelassen werden, notfalls muss mit halber Kraft gerudert werden, längeres Nebeneinanderfahren ist jedenfalls verboten. Die Startnummer muss immer sichtbar sein, 10 Streckenposten haken die Boote beim Vorbeifahren ab. Verschollene Boote werden angerufen, wenn das nicht gelingt, wird nach dem Boot gesucht. Wer gegen die Regeln verstößt, bekommt Zeitstrafen, wer 10 Minuten zusammen hat, wird disqualifiziert.

Ich bin beunruhigt. Wie schnell macht man es der Mannschaft unnötig schwer oder verdirbt gar das Rennen. Jetzt kommt die Gefahr der Zeitstrafen dazu. Eine Mannschaft kann schnell rudern und der Steuermann gut steuern und man kann trotzdem wegen einer Zeitstrafe verlieren.

Ich gehe wieder zum Boot. Gunda hat mir den Steuersitz gepolstert. Gunda hat überhaupt alles organisiert. Anmeldung, Bootstransport, unsere Anreise. Auch an Kabelbinder hat sie gedacht. Yvonne isst Bananen. Kein Mensch kann so viele Bananen essen wie Yvonne. Und alle trinken literweise Wasser. Wie soll das gut gehen? Wir werden unterwegs anlegen müssen.

Ich habe jetzt Karins Ersatzklamotten im Kentersack, Yvonnes Uhr am Handgelenk und Gundas Handy, wasserdicht verpackt, um den Hals hängen. Nur von Sabine habe ich nichts. Aber wir kennen uns auch kaum, sie ist von der Benrather RG.

Ich überlege ernsthaft, das Auspacken und die Rufannahme mit dem fremden Handy zu üben, denn vielleicht wird es Strafminuten geben, wenn ich bei einem Anruf nicht schnell genug abhebe. Ich lasse es, wenn wir erst mal verschollen sind, sind Strafminuten sowieso egal.

Ich gehe in den Schatten. Meine Damen stehen auf dem Deich und sehen dem Treiben auf dem Wasser zu.  

Dann habe ich eine Strategie. Einfach spontan den richtigen Kurs steuern. Das ist natürlich nicht wirklich eine Strategie, das ist weniger als nichts, aber mir geht es jetzt wieder besser. Ich gehe zu den anderen und wir feuern die Mannschaften der Langstrecke an.

Eine freundliche Dame geht zu jedem Boot und weist die Mannschaften auf den baldigen Start hin. Irgendwann sind auch wir dran. Wir tragen unser Boot etappenweise zum Steg. Es ist schwerer als sonst. Man hilft uns.

Wir rudern ein Stück stromauf, kontrollieren die Stemmbretter und die Dollen. Dann wenden wir, fliegender Start wie in Leverkusen, wir hören das Signal und sind im Rennen. Es ist 13.02 Uhr, 45 km liegen vor uns, zwei mehr als bei Marathon. Eigentlich ist es wie Marathon, nur am Ende dann eben 3 km Endspurt statt einem. Ich habe kein Mitleid, sie haben es so gewollt. Sie hatten mich gefragt, nicht umkehrt.

Mit Sabine und Gunda sind zwei Vielruderer im Boot. Sie werden das heute mühelos überstehen. Yvonne als Mutter zweier Kinder hat dagegen kaum Zeit zum Rudern. Auch Karin konnte nicht viel rudern. Wir haben nicht eine Trainingsfahrt gemeinsam hinbekommen.

Schon bald nähern sich zwei Boote. Sie ziehen an uns vorbei. Ich hätte mehr in der Strömung fahren müssen. Das ist bitter. Noch einige Kilometer können wir an den beiden Booten dran bleiben, dann entschwinden sie allmählich. Wir haben viel Schiffsverkehr. Immer wieder Wellen. Spritzwasser kommt über die Ausleger ins Boot. Ein wenig Abkühlung tut allen gut, mit dem Schwamm befördere ich das Wasser wieder nach draußen.

Noch einmal überholt uns ein Boot. Diesmal ist es ein Männerboot, das ist kein Problem für uns. Dann überholen auch wir ein Boot. Es ist ein Boot der Langstrecke, zu erkennen an der niedrigen Startnummer.

Nach 10 km entdecke ich einen der Streckenposten. Ich grüße freundlich mit der Hand. Der Streckenposten zeigt hektisch stromab. Wir fahren bereits stromab, wohin auch sonst. Ich weiss nicht, was der Streckenposten uns sagen will.

Die Bojen liegen oft weit draußen in der Strömung. Der Kurs außerhalb des Fahrwassers ist leicht zu steuern. Wir brauchen keinem Schiff auszuweichen. Nur die Fähren könnten ein Problem sein. Da wir nicht die Seite wechseln dürfen, müssen wir im ungünstigsten Fall anhalten. Aber wir haben immer Glück.

Bald haben wir die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Ich genieße die Landschaft, die Strecke ist wunderschön. Ich denke an Osterwanderfahrten mit Hermann, da führte die 3. Etappe von Neuwied nach Köln.

Dann werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Etwas vorwurfsvoll mahnt Yvonne eine Trinkpause an. Ich habe tatsächlich die Trinkpause vergessen. Ich mache mir Vorwürfe. Aber so schnell verdurstet man nicht. Zwei Tage kann der Mensch durchhalten und die sind noch lange nicht um. Außerdem habe ich auch nichts getrunken.

Jetzt hat auch Karin ganz plötzlich Durst. Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig. Wir müssen bald übersetzen. Hier dürfte es vor Streckenposten nur so wimmeln. Zudem kommt uns der nächste Bergfahrer dicht unter Land entgegen. Ich erkläre kurz die Situation, Yvonne und Karin zeigen Verständnis.

Jetzt erst mal an dem Bergfahrer vorbei. Es wäre besser, wir würden ins Fahrwasser ausweichen.  Aber das dürfen wir nicht. Wir quetschen uns unter Land vorbei. Der Bergfahrer macht hohe Wellen, wieder Spritzwasser, dann wieder der Schwamm.

Hinter dem Bergfahrer setzen wir über. Wir fahren jetzt linksrheinisch, passieren noch einen Bergfahrer und machen dann Trinkpause. Ich erwarte zügiges Trinken und Fertigmeldung, aber es dauert ewig. Bevor noch jemand glauben könnte, Sonnencreme auftragen zu müssen, beende ich die Pause.

Die ersten Schläge sind zäh, dann läuft das Boot wieder. Alle ziehen noch immer kräftig durch, ich bewundere meine Damen. Bald fahren wir an Bad Honnef vorbei. Ich sehe den Drachenfels, links kommt Bad Godesberg.

Dann endlich der letzte Kilometer. Ich sehe in Yvonnes Gesicht und habe jetzt doch etwas Mitleid. Aber meine Damen haben noch Kraft für einen Endspurt und geben alles. Die Promenade ist voller Menschen, ich entdecke das Zielhäuschen und alle erwarten sehnsüchtig das Signal, das den Strapazen ein Ende macht.

Dann endlich ist es vorbei. Wir haben es geschafft. Kurze Pause, dann wenden wir und rudern stromauf zum Steg. Man hilft uns wieder beim Tragen. Das Boot bleibt aufgetrimmt. Gunda, Sabine und Yvonne wollen morgen weiter nach Düsseldorf rudern, für Karin und mich kommen zwei frische Leute ins Boot.

Es gibt Kaffee und Kuchen, kühle Getränke und natürlich Würstchen vom Grill. Nach dem Duschen geht es allen wieder gut. Immerhin hat es für den dritten Platz gereicht. Jeder Teilnehmer bekommt ein T-Shirt zur Erinnerung. Aber der Tag war ohnehin unvergesslich. Er war wunderschön und in ein paar Stunden würde das auch meine Mannschaft so sehen. Nächstes Jahr ist wieder Eurega, aber jetzt freue ich mich erst mal auf Marathon.  


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