Wanderfahrt auf der Schlei

Wikinger,  Wind und saure Gurken

Neben neuen Rudererfahrungen abseits der Routine unserer Hausstrecke ist das Schöne an Wanderfahrten, dass sie auch eine kleine Bildungsreise sein können. Bei der Pfingst-Wanderfahrt auf der Schlei war das nicht anders.

Um mit der Geografie zu beginnen: Die Schlei ist ein 42 Kilometer langer Meeresarm in unserem nördlichsten Bundesland, der sich von der Ostsee bis nach Schleswig mit einer durchschnittlichen Breite von mehr als einem Kilometer erstreckt. Nach Norden hin blickt man auf die Landschaft Angeln: In der Völkerwanderung sind viele Angeln nach England gezogen, die ihren Beitrag zu den Angelsachsen geleistet haben.

Anders als die Küste in Holland ist das Land hier nicht platt, sondern zeigt sich als eine von der Eiszeit geprägte Hügel- und Auenlandschaft. Geologisch gesehen handelt es sich bei der Schlei aber nicht um einen Fjord – mit einer durchschnittlichen Tiefe von gut drei Metern ist die Schlei dafür nicht tief genug. Gespeist wird sie von einem kleinen Fluss und der Ostsee, wir ruderten also in Brackwasser, bei einer schwachen Strömung, deren wechselnde Richtung vom Wind und dem Wasserstand der Ostsee abhängt.

Am Freitag vor Pfingsten trafen wir in Schleswig ein. Wir, das waren neben Volker Domdei, Ulli Heyse und mir vom RCGD sieben Mitglieder des Hamburger ARV Hanseat und fünf des Flensborg Roklub, ein Ruderclub der dänischen Minderheit. Damit sind wir schon bei einem besonderen kulturellen Aspekt. Hier im Norden spielt die starke dänische Minderheit eine wichtige Rolle.

Das zeigte sich auch bei den Ruderregeln: Für die zwei schweren Holz-Seegigs (Innenrigger), die wir beim Slesvig Roklub (auch ein Club der dänischen Minderheit) ausliehen, sowie einen Doppelvierer vom Domschulruderclub, galt, dass jedes mit einem Obmann bestückt sein musste, der die Prüfung zum dänischen Langtursstyrmand absolviert hatte, der für das Küstenrudern qualifiziert war. Dieses Patent hat auch unser in Düsseldorf bestens bekannter Ruderkamerad Paul Grant, der, unterstützt von seiner Freundin Monika, die Tour exzellent organisiert hat und Mitglied im dänischen Flensborg Roklub ist.

Gleich am ersten Tag, als wir mit den Booten die zwölf Kilometer in unser Quartier nach Missunde zur Hütte des Slesvig Roklub ruderten, tauchten wir auch tief in die besondere Historie der Schlei ein. Bei  einen Abstecher ins Haddebyer Noor (Noor, dänisch für einen See, der nur durch eine schmale Öffnung von einem größeren See erreichbar ist) kamen wir vorbei an Haithabu, in dem das nordische Wort für Heide steckt und das einst ein blühender Handelsort der Wikinger war, die darüber den Warenaustausch zwischen Skandinavien, dem Baltikum und Westeuropa abwickelten.

Die Wikinger hatten also eine Art natürlichen Vorläufer des Nord-Ostsee-Kanals erfunden. Von der Ostsee kommend fuhren sie mit ihren Schiffen die 40 Kilometer bis Haithabu, von wo sie dann die Boote 14 Kilometer übers Land zogen, um über Treene und Eider die Nordsee zu erreichen. Das war schneller und gefahrloser als der stürmischen Weg durchs Kattegat und Skagerrak. Allerdings wurde Haithabu im elften Jahrhundert völlig zerstört. Heute zählt die ehemalige Siedlung zum Weltkulturerbe, einige wiederaufgebaute Wikingerhäuser und ein Museum ziehen die Touristen an.

Was das Rudern betrifft, war der zweite Tag mit 40 Kilometern der Höhepunkt und anstrengendste Teil unserer Tour. Da ging es von unserem Quartier in Missunde nach Schleimünde zur Ostsee, vorbei an grüner Hügellandschaft mit hübschen alten Herrenhäusern und stilvollen Bauerhöfen, aber auch an architektonischen Sünden wie dem Ostsee-Resort Olpenitz, einer seelenlosen Ferienhaus-Stadt aus der Retorte. Der Wettergott meinte es gut mit uns, die Sonne schien, ein flauer Wind wehte, so dass wir die seltene Chance nutzen konnten, hinaus auf die Ostsee zu rudern und dort eine Runde zu drehen. Dann ging‘s zurück nach Kappeln, ein Fischerstädchen, wo wir die Boote auf dem Gelände des dortigen Ruderclubs über Nacht lagerten. Am Pfingstsonntag ruderten wir von Kappeln zurück nach Missunde, mit einer kurzen Anlandung im idyllischen Arnis, der kleinsten Stadt Deutschlands mit etwa 300 Einwohnern, einem hübschen Kirchlein und anmutigen Bürgerhäusern.

Herausfordernd dann der Pfingstmontag: die Rückfahrt von Missunde nach Schleswig. Nachts hatte es stürmisch geregnet. Der Wind, der bis dahin mäßig von Osten kam, hatte aufgedreht und blies uns von Südwest entgegen. Bei einer Windstärke von knapp vier und hohen Wellen ruderten wir durch die Große und  Kleine Breite zurück nach Schleswig. Da wurde es schlagartig klar, warum auf der Schlei Rettungswesten generell Pflicht sind.  

Fazit: Weil Ruderer in der Regel nette Leute sind, lernt man bei einer Wanderfahrt immer nette Leute kennen. Paul ist ein klasse Organisator, Essen war reichlich und gut, morgens und abends saßen wir viel zusammen, klönten und hatten unseren Spaß. Und, nicht zu vergessen, beim Frühstück stand auch das obligatorische Glas mit sauren Gurken auf Ullis Platz. Also eine tolle Wanderfahrt.   

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