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Wieder einmal Zernsdorf, wieder einmal Herrentour.
Wieder einmal Zernsdorf, wieder einmal Herrentour.
Das Örtchen am Krüpelsee ist nun seit dem Jahr 2000 Ziel vieler Wanderfahrten. Für die berühmte und auch berüchtigte Herrentour war Zernsdorf in diesem Jahr bereits zum 26. Mal das Ziel einer illustren Runde des RCGD.
Da stellt sich die Frage: Was macht den Ort, die Fahrt aus, dass jedes Jahr im September zwei oder drei Handvoll Kerle aus dem Rheinland wie magisch angezogen anreisen. Dröseln wir die Frage auf.
Da sind zuerst einmal die Kerle selbst. Eine ziemlich homogene Gruppe, einige mitten im Berufsleben stehend, andere bereits darüber hinaus, sozial abgesichert, die selbstbewusst und zufrieden auf ihr Leben schaut. Ausgeprägte Charaktere, alle einander akzeptierend, respektierend, deren Interaktionen erzeugen zugleich Zusammenhalt und Reibung. Sie reißen Witze über sich oder die anderen. Sie unterstützen sich gegenseitig, in der Alterskohorte insbesondere beim Aussteigen aus den Booten. Sie geben dem Einzelnen das Gefühl, zur Gruppe zu gehören, aufgehoben zu sein. Für eine kleine Weile verwandeln sie den Ort in eine Insel mit verschworenen Stammesbewohnern und festen, sich jährlich wiederholenden Ritualen. Dass es nur Kerle sind, die die Insel besiedeln, festigt den Stamm, es ist ein aus der Zeit gefallener, aber harmloser Anachronismus.
Das alles gibt es natürlich ähnlich auch auf anderen Fahrten, in Zernsdorf kommt etwas hinzu: Der Zauber des Ortes, kitschig gesagt. Hingeduckt auf einer großen Halbinsel am Rande des Krimnicksees liegt das Bootshaus des ESV Lok Zernsdorf e.V. Die Halbinsel gesäumt von hohen Bäumen, Linden meist, der Boden eine weiche, weite Rasenfläche, darauf das Bootshaus lang und schmal gebaut mit einer in einem sanften Gelb gestrichenen Fassade und einem für die morgent- und abendliche Versorgung mit Essen und Getränk bestens geeigneten Terrasse, die einen hübschen Ausblick durch die Bäume auf den Steg, den See und das gegenüberliegende Ufer bietet. Die Halbinsel ist ein kleiner Kosmos. Man ist ganz für sich. Wer genug Lebensmittel bevorratet, kann die Außenwelt ausblenden, kann Löcher in die Luft gucken, den ganzen großen Rest für eine Weile an sich vorbeiziehen lassen. Der verschworene Stamm findet hier sein Wohlfühlterritorium.
Aber die Kerle wollen ja nicht nur eine Insel vorübergehend besetzen, sie wollen auch die umliegenden Territorien erkunden. Das Ruderboot ist das Mittel der Wahl. Damit sind wir beim Wasser, bei der brandenburgischen Wasserlandschaft. Seen, Kanäle und Flüsse von beachtlichem Ausmaß durchziehen das Land. Es würde Wochen und Monate dauern, sie alle zu erkunden – ein langes Wochenende macht nur einen winzigen Ausschnitt möglich. Deshalb greifen auch hier die in der Vergangenheit ausgebildeten Gewohnheiten. Der Stamm versammelt sich (fast) jedes Jahr wieder an den gleichen Wasserstellen, die Dahme rauf und über den Dolgensee ins Gasthaus Kober, oder weiter über den Langer See und den Wolziger See zur Fischerhütte. An anderen Tagen geht es die Dahme runter, durch die Schleuse Königs Wusterhausen, unter der Brücke bei Schmöckwitz durch, über den Zeuthener See und dann in einen anderen Langer See. In diesem Jahr dann eine Abweichung, ein Besuch im sehr empfehlenswerten Wassersportmuseum Grünau. Für die Kerle war das ein neues Land! Auch ein neues Abenteuer?
Vielleicht kein Abenteuer, aber ein Anlass für Gespräche über historische Aspekte des Rudersports während der abendlichen Erholungsphase. Auch dabei gibt es wieder Rituale, am Mittwoch Pizza im Ort, Donnerstag Räucherfisch auf der Terrasse, Freitag was selbstgekochtes mit Knödeln oder Klößen und Samstag wird gegrillt, immer, unabänderlich. Dazu Getränke, auch hier die gleichen Abläufe, es reisen die immer gleichen Spirituosen mit nach Zernsdorf und der RV Zernsdorf sorgt für ausreichend gekühltes Bier aus regionaler Produktion.
Dass die Kerle sich die Vor- und Nacharbeiten der Mahlzeiten ohne Plan, trotzdem gerecht und konfliktlos teilen, dass sie dabei die Rollen, die sie in den Vorjahren innehatten, ganz selbstverständlich wieder besetzen, zeigt dass es sich um tief eingegrabene Gewohnheiten handelt. Die Neulinge werden ohne Aufsehen nahtlos integriert und werden zu Stammesmitgliedern.
Ganz am Anfang des Artikels wurde die Frage gestellt, was ist der Grund für die Beliebtheit dieser Wanderfahrt. Die Antwort kann nur lauten, die Verlässlichkeit, mit der sich die Abläufe wiederholen, dass die gleichen Orte und Gewässer Sicherheit bieten und das vergnügliche und freundschaftliche Zusammensein der Kerle. Und: Schön ist es dort! Das flache, grüne Land, die Gewässer; alles überwölbt von einem Himmel in weiter Pracht, nicht eingeengt durch Hügel, Berge oder Bebauung.
Der Autor jedenfalls freut sich genau wegen der immer gleichen, immer schönen Fahrt mit (fast) immer den gleichen Kerlen auf die Ausgabe im nächsten Jahr.
Bleibt noch, Thomas und Sebastian für die erstklassige Organisation zu danken und allen Kerlen für den Spaß, den wir gemeinsam hatten.
Kurt Nellessen